SOMMELIER

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Die interessantesten Weinkellner unserer Zeit

Transkript

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00:00:00: Herzlich willkommen zu Somie, die interessantesten Weinkennner unserer Zeit.

00:00:05: Wir können uns ein Abhampeln, wie wir wollen, wenn die Gäste sich oder die Gäste sich querstellen,

00:00:09: dann haben wir halt auch keine Chance.

00:00:11: Mein heutiger Gast ist jemand, der sich in seinem zweiten Berufsweg für die Gastronomie entschieden hat

00:00:16: und diese mit ganz viel Leidenschaft einem großen Herzen und einem ganz eigenen Bewusstsein lebt.

00:00:22: Michael Stiel.

00:00:24: Ich würde mir gerne in so einen Laden gehen, wo Menschen sind, die wirklich aufs Geld scheißen.

00:00:34: Weißt du so? Einfach mal das zu erleben, weil es ist so eine Welt, und das ist wirklich reiner Wojuryismus,

00:00:44: wo du da bist und dann bestellen die dir einfach die Flaschen weg um die Tausende von Euros

00:00:49: und dann werden die aufgemacht.

00:00:51: Ich finde es total abstrus, gleichzeitig auch total spannend.

00:00:55: Das ist jetzt total reiner Egoismus natürlich auch, dann einfach die Weine zu probieren

00:01:00: und gleichzeitig aber auch zu verstehen, wie groß oder ob es eine Schere gibt zwischen Geld und ich verstehe den Wein.

00:01:08: Für mich ist schon wichtig, dass ich versuche den Gästen den Service zu geben, den sie gerade wollen oder brauchen.

00:01:17: Ich bin aber auch so, dass ich sage, wenn es da vier Jungs sitzen oder vier junge Menschen von mir ist oder vier, wer auch immer

00:01:24: und die lässig sind, dann mache ich auch einen lässigen Service.

00:01:28: Aber ich kann auch super umschalten und jemanden also von vorne bis hinten pampern und die Haare noch flechten dazu.

00:01:35: Ich finde Wein ist halt aber auch so vielschichtig.

00:01:40: Also da passiert so viel, was sage ich mal wichtig ist in der Welt.

00:01:45: Zum einen Wein ist eine Monokultur, überall heißt es Monokulturen sind scheiße.

00:01:50: Aber trotzdem ist irgendwie Wein so eine akzeptierte Monokultur, die sogar einen gewissen Hype erlebt.

00:01:55: Dann gleichzeitig ist Wein aber auch was, was uns zeigt, wie kann Landwirtschaft funktionieren im Zeichen eines Klimawandels,

00:02:01: eine immer wärmer werdenden Welt.

00:02:04: Da wird viel versucht mit und wir haben halt den Beweis, dass sowas wie biologische Landwirtschaft

00:02:10: oder vielleicht sogar dann biodynamische Landwirtschaft funktionieren kann, das gibt uns den Beweis auch.

00:02:15: Also da passiert sehr viel in dieses Bereich und das finde ich sehr, sehr spannend.

00:02:21: Das ist ja das schön geistige, am Weinkarte schreiben finde ich, dass man sich hinsetzt und sagt, okay, was gibt es, was habe ich mal wo gesehen?

00:02:28: Schreibe ich eine Winzerin selber an.

00:02:31: Ich habe vor zehn Jahren in Wein getrunken, da habe ich mir gesagt, wenn ich eine Weinkarte schreiben darf, dann nehme ich die mit drauf.

00:02:36: Dann schreibst du die an. Das sind so Sachen, das sind so Ziele.

00:02:40: Oder das finde ich ganz, ganz spannend. Das macht es halt so schön geistig, sag ich mal.

00:02:46: Ich muss schon schauen, dass ich die Weine, die ich einkauf, auch los werde.

00:02:49: Also ich kann jetzt nicht nur Freakstoff einkaufen, die, sag ich mal, wahnsinnig progressiv sind im Geschmacksbild,

00:02:57: sondern auch klassischere Sachen einkaufen.

00:03:00: Ich bin gerade hier im Kiez, in dem ich mich noch nicht auskenne, also ich bin jetzt jetzt der dritte Monat,

00:03:05: muss ich schon gucken, dass ich mich irgendwie so ein bisschen ran taste,

00:03:08: weil wenn ich jetzt dann in der Begleitung von sechs Gläßern Wein irgendwie vier Vollgasmeischen anbiete,

00:03:14: das ist glaube ich jetzt auch von Anfang erst mal nicht so gut.

00:03:17: Weißt du, sonst kommen die Leute zum Stilie und sagen, hey, da haben wir jetzt irgendwie sechs Gläßern Wein,

00:03:23: wir dürfen hier vier nicht saufen, das ist halt auch nicht gut, aber es gibt ja auch Weine, die, sag ich mal, anders gemacht sind, klassischer schmecken,

00:03:32: aber trotzdem gut sind.

00:03:34: Berlin ist da, also Berlin krankt ja auch an genau diesem Thema, so ein bisschen, finde ich.

00:03:38: Es gibt ja ganz viele Leute, die sich am liebsten alles reinhauen, nur wenn es trubig ist

00:03:43: und wenn irgendwie ein flaschiges Etikett drauf ist, das kann dann auch ein bisschen meuseln,

00:03:49: oder es kann Flüchtige haben, aber das gehört einfach so dazu.

00:03:53: Das ist schon was, was in der Stadt leider irgendwie so überhand genommen hat,

00:03:58: aber ich für mich bin da raus.

00:04:01: Also ich finde es cool, ich mag den Anspruch, ich habe auch einen gewissen Hang zu diesem antroposophischen,

00:04:08: also diese ganze biodynamische Geschichte, Demeter, wie sie alle heißen, das finde ich spannend.

00:04:14: Ich verglühe jetzt aber nicht, wenn ich mir, sag ich mal, ein Wein reinziehe, der vielleicht nicht ungeschwefelter herkommt.

00:04:22: Und das ist ja, sag ich mal, nur die eine Perspektive, die mich angeht.

00:04:26: Fürs Restaurant hier, also jetzt mal fürs Matthias gesprochen, ich muss halt schon auch schauen,

00:04:31: dass ich die Leute abhole.

00:04:33: Ob das dann ist, dass ich jetzt konventionellen Wein auschehe, also wirklich systemische Mittel und alles, was schlecht ist,

00:04:38: dass das dabei sein muss, das will ich gar nicht sagen, aber ich muss nicht immer ein Skin Contact Wein auschenken

00:04:43: oder ein Wein auschenken.

00:04:45: Also es gibt ja, es ist ja das Schöne, inzwischen gibt es ja so eine tolle Bandbreite an Wein.

00:04:48: Ich muss ja nicht mehr nur auf Äußerlichkeiten schauen, es gibt ja auch gut gemachten Wein,

00:04:52: als Beispiel jetzt Nikolajhof, der ja, sag ich mal, im Geschmacksbild eher konservativ ist, aber in der Herstellerung total progressiv.

00:04:59: Es ist ein sehr progressiv.

00:05:00: Beuteln etc. sowas ist ja auch möglich. Also ich bin da schon offen für andere Sachen,

00:05:06: für neue Sachen, weil ich glaube ansonsten verpasst man viel und... Weißt du, auch da geht's

00:05:13: dann irgendwie, jetzt habe ich gerade festgestellt, als ich das so ausgesprochen habe, eigentlich

00:05:17: am Ende geht's um mich, weil ich gerne diese schöne Gläser dahinstehen möchte, der Gast,

00:05:21: der Gäste, am Ende ist es wahrscheinlich wurscht oder zumindest anders in der Wahrnehmung,

00:05:29: ist verrückt. Witzig, Selbsterkennungsschau. Ich glaube ganz wenige Menschen haben den Luxus

00:05:36: wirklich nur des verkaufen zu können, was sie wirklich gerne auch selber zu 100% trinken.

00:05:42: Also ich weiß, es gibt Menschen, die ziehen das durch. Das habe ich auch größten Respekt

00:05:48: vor, ich würde das so für mich nicht entscheiden wollen. Wie gesagt, auch gepaten natürlich

00:05:52: mit der Lust, manchmal einfach irgendwie was Klassischeres, Breiteres irgendwie sich

00:05:57: selber reinzufalten. Ich habe jetzt gar nicht diesen altruistischen Aspekt, ich sage ich

00:06:03: will die unterstützen, sondern ich will die auf der Karte haben, weil ich es cool finde,

00:06:06: wenn man eine Karte hat, die halt vielleicht mal links und rechts schaut. Inwiefern ist

00:06:10: es wichtig, dass man als Sommelier, als Sommelier in seinem Frei immer auf Weingüter fährt.

00:06:15: Weißt du, was ich mein? Also ich habe jetzt zwei Wochen frei, ich fahre nicht in die Wachau

00:06:19: und gehe irgendwie, oder ich fahre nicht in die Steiermark oder nach Franken auf ein

00:06:22: Weingut. Ich mache Woche Sauna daheim im Fitnessstudium, dann nehme ich an und dann bin ich in Berlin

00:06:28: und streiche meine Wohnung. Man kann ja genauso daraus auch einen Vorwurf von Berlin und sagen,

00:06:33: hey du fährst jetzt nicht alle Zeit, die du hast irgendwie auf Weingüter und bildest

00:06:36: dich weiter. Also muss man vorsichtig sein, was man immer sagt und was man macht, weil

00:06:41: ich kann auch ganz gut abschalten mal ohne Wein. Also ich beschäftige mich halt meinen

00:06:46: ganzen Tag irgendwie mit Wein und Verkoste und schenkt Wein aus und rede über Kulinarik.

00:06:51: Ich finde es wahnsinnig befreiend einfach wirklich daheim, mein Bier zu trinken oder

00:06:56: wenn man danach in eine Bar geht nach dem Arbeiten oder auch privat in den Freien,

00:07:00: im Freien oder so. Es gibt so wundervolle Bars in Berlin, die wahnsinnig sophistische

00:07:05: Drinks machen, aber alles was ich brauche ist irgendwie ein lecker schmeckender Negroni

00:07:09: oder ein Rum Sour.

00:07:10: Ich muss auch gestehen, ich habe eine dibbische Freude daran, weil es so eine richtig schwere

00:07:15: Burgunderflasche, du machst den Korkner raus, das ist schon auch sexy. Aber gleichzeitig

00:07:25: macht es auch nichts mit mir, wenn es eine leichte Flasche ist. Also das ist so sehr

00:07:28: indifferent. Ich weiß um die Umweltschädlichkeit und ich weiß um die, dass man das eigentlich

00:07:36: nicht machen soll, aber auf der anderen Seite es macht auch nichts mit mir, wenn es eine

00:07:42: dünne Flasche ist. Also das ist für mich jetzt kein Qualitätsmerkmal, es ist rein so

00:07:45: eine so ein guilty pleasure könnte man sagen. So wie McDonalds.

00:07:51: Ihr habt die ganzen jungen Leute, die alle mit Naturwein anfangen und dann sagen, das

00:07:57: ist der Shit und den Rest dann verteufeln. So war das ein bisschen bei mir auch. Auch

00:08:03: da habe ich mich natürlich weiterentwickelt, aber ich habe schon angefangen so mit Andy

00:08:07: Weigand und zu diesen ganzen naturnaturigen Sachen und zu sagen, okay kein Schwefel ist

00:08:13: das Beste und ist das Allergeizte, aber das hat sich alles natürlich auch geändert,

00:08:18: weil natürlich musste irgendwo anfangen und dann entwickelt man sich weiter und dann

00:08:22: hast du natürlich so immer wie den Martin auch, der natürlich auch sagt, na es ist

00:08:25: alles ein Blitzchen, was die da machen, es geht nur so und dann irgendwann hat man halt seine

00:08:31: eigenen Erfahrungen und inzwischen bin ich da, würde ich sagen, auch relativ breit aufgestellt.

00:08:37: Es macht mir Spaß, Wein zu, also den Menschen näher zu bringen, Wein zu verkaufen, es

00:08:45: macht mir Spaß Wein zu trinken. Also ich gehe da schon voll auf in diesem ganzen Thema.

00:08:49: Allgemein Kulinarik ist so was, was mir sehr viel Spaß macht. Also ich will gar nicht Wein

00:08:54: als mein einziges Geschäftsfeld betrachten, ich sehe das eher, wenn ich in einem Restaurant

00:09:00: bin und ich meine am Ende ist es doch genauso wie mit dem Fleisch essen, wenn wir einen

00:09:06: gesunden Umgang üben, dann ist es doch eigentlich alles schon auch, dann ist es doch alles auch

00:09:11: schon irgendwie auf dem Weg der Besserung. Und das komplette Gespräch findet ihr ab

00:09:15: morgen bei Sommli, die interessantesten Weinkenner unserer Zeit auf dieser Plattform oder überall,

00:09:20: wo es Podcast gibt. Ich meine ich leide natürlich schon in diesem Impostesyndrom, weil ich mir

00:09:27: denke so irgendwann kommt mir einer drauf, dass ich einfach hier mich so durchmogel.

00:09:38: Diese Ausgabe Sommli wird unterstützt von der Schlumbergergruppe und dem Weingütern

00:09:42: Tinutarikali, Liss Neres und der Jalumba Winery. Ein herzliches Dankeschön dafür.

00:09:48: Ich habe immer einen Gast mit einer Weinflasche abgeschmissen. Das war mein schönstes Erlebnis,

00:09:54: und das war die auf der schlechtesten.

00:09:55: (Lachen)

00:09:57: (Lachen)